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Fake News-Workshop an einer Ludwigsburger Gemeinschaftsschule
„Fand der Terroranschlag wirklich statt?“ – Fake News-Workshop an einer Ludwigsburger Gemeinschaftsschule
Eine Woche nach dem Terroranschlag in Halle durften SWR1-Moderator Jens Wolters und der Kindermedienland-Experte Frank Wagner in der Justinus-Kerner-Schule über Falschnachrichten und Nachrichtenkompetenz referieren. Interessant zu beobachten, wie die Jugendlichen sich über das Tagesgeschehen informieren und welche Nachrichten sie überhaupt konsumieren.
Lehrerin Eva Kühlen-Schmitt lässt die Klangschale erklingen. Achtzehn Schülerinnen und Schüler die gerade eben noch herumkrakeelten, halten kurz inne. Sie wissen, dass jetzt wieder Ruhe angesagt ist. Eva Kühlen-Schmitt möchte nochmal die letzten drei Stunden besprechen, in denen ihre 9b sehr konzentriert bei der Sache war. Vor wenigen Minuten hat sich die Schulklasse von SWR1-Moderator Jens Wolters und dem Kindermedienland-Experte Frank Wagner verabschiedet. Beide haben den Schülerinnen und Schülern der Ludwigsburger Justinus-Kerner-Schule ausführlich erklärt, woran sie Fake News erkennen können und wie schnell sich Falschnachrichten im Netz verbreiten können.
Neuntklässler: „Recherche kostet ja Zeit“
Ein paar Schüler aus der letzten Reihe bestätigen, dass ihnen der Workshop „was gebracht hat“ und dass sie zukünftig stärker bei Nachrichten darauf achten wollen, wer der Herausgeber ist. Auf die Frage hin, ob sie bei den Videos aus ihrer täglichen YouTube-Playlist auf den Ursprung der Nachrichten achten wollen, gestehen sie ein, dass „das ja viel Zeit kostet“. Gefragt, ob sie sich Zeit nehmen würden, bringen die Schüler ein schelmisches „Nö“ über die Lippen. Ein anderer Schüler ist etwas reflektierter. „Die deutschen Nachrichten über mein Heimatland unterscheiden sich schon stark von dem, was in meinem Land berichtet wird“, berichtet er. Selber schaut er regelmäßig den Tagesschau-Kanal auf YouTube an. „Weil das wichtig ist, sich zu informieren“, meint er.
Jens Wolters: „Habe nicht erwartet, dass jeder den SWR1 kennt.“
Jens Wolters und Frank Wagner war schon im Vorfeld bewusst, dass die Mediennutzung der Jugendlichen sich sehr von den Gewohnheiten von Erwachsenen unterscheidet. „Ich habe nicht erwartet, dass ich in die Klasse reinkomme und jeder meinen Sender kennt“, so Jens Wolters vom SWR1. Politikverdrossenheit konnten die beiden Referenten bei den Jugendlichen jedoch keine feststellen. Vielmehr entstand bei beiden der Eindruck, dass die Jugendlichen ganz andere Informationsquellen nutzen, als Erwachsene vermuten. Bei einer Fragenrunde zu Beginn des Workshops stellte sich heraus, dass nur noch ein einziger Schüler Facebook nutzte. Die anderen Schüler bevorzugten hingegen Instagram oder Snapchat.
Dass die Jugendlichen eine ganz andere Nachrichtenrezeption als Erwachsene haben, konnte auch Frank Wagner erkennen. „Während des Workshops wollte ein Schüler wissen, ob es stimmt, dass in Halle ein Terrorist auf jemand geschossen hat“, schildert der Referent. Man kann davon ausgehen, dass die Nachrichten zu dem Schock-Ereignis – über das international berichtet wurde – bei diesem Jungen nicht gelandet sind, vermutet Jens Wolters. Eine Umfrage zu Beginn des Workshops brachte ein ähnliches Ergebnis: Die meisten der Schülerinnen und Schüler informierten sich ausschließlich über YouTube. Und nur ein einziger Schüler erklärte, dass er gezielt nach weiteren Videos eines Ereignisses sucht.
„Medien“ steht auf dem Lehrplan
Eva Kühlen-Schmitt berichtet, dass Politik und Medien während des Schuljahres intensiv behandelt werden. Als Teil des Gemeinschaftskunde-Unterrichts besuchte sie mit ihren Schülern den Landtag, wo diese hautnah miterleben konnten, dass „die anderen Parteien gegen die AFD sind“. Dies ohne Praxisbezug im normalen Unterricht zu vermitteln, wäre deutlich schwieriger gewesen. Auch die Auseinandersetzung mit klassischen Medien stand auf dem Lehrplan: Über mehrere Wochen hinweg mussten die Schülerinnen und Schüler die Tageszeitung lesen und ein selbst vorgegebenes Thema nacherzählen. Laut Lehrplan liegt der Schwerpunkt auf Medien in der achten Klasse. Für Eva Kühlen-Schmitt ist hingegen „Medien ein Dauerthema“.
Eva Kühlen-Schmitt: „Mir war es wichtig, dass Sie kommen!“
„Mir war wichtig, dass sie kommen. Aber dass sie in diese Klasse kommen und nicht in die Parallelklasse!“, beteuert Eva Kühlen-Schmitt. In der Parallelklasse wäre das Thema „Medien und Politik“ einfach nicht „cool gewesen“ und die Schüler hätten schnell dichtgemacht, befürchtet sie. Die Schülerinnen und Schüler ihrer 9b hätten mittlerweile zu schätzen gelernt, „wenn andere Sachen gemacht werden, als das Gemeinschaftskunde-Buch auf Seite hundertfünfundfünfzig aufzuschlagen“, so Eva Kühlen-Schmitt. Sie erklärt, dass das Klientel an ihrer Schule kein einfaches sei. Gerade am Wochenende hatten vier Schüler der Justinus-Kerner-Schule Ärger mit der Polizei bekommen. Gerade deshalb legt sie Wert darauf, dass ihre Schülerinnen und Schüler „so viel wie möglich von außen mitbekommen, was sie innerhalb des normalen Schulbetriebes nicht lernen würden“.
Auf Falschmeldungssuche mit dem SWR-Fakefinder
In der zweiten Hälfte des Workshops sollten die Jugendlichen mit dem „SWR-Fakefinder“ auf Falschmeldungssuche gehen. Im Onlinespiel des SWR erhalten die Schülerinnen und Schüler verschiedene Nachrichten und müssen einschätzen ob sie wahr sind oder nicht. Dabei sollen sie lernen, wie man verschiedene Quellen, das Impressum, sowie die Herkunft von Bildern und Videos überprüft. Während einige Schüler mit dem text-lastigen Spiel ihre Probleme haben, meistern andere die Fragen ganz passabel. Frank Wagner erklärte u. a. woran man Satire-Seiten erkennen kann und wie man mit wenigen Klicks selber Falschmeldungen „erzeugen“ kann.
Jens Wolters: „Verstärkt dahingehen, wo Redebedarf besteht“
Beim Verlassen der Schule lassen Jens Wolters und Frank Wagner nochmal den Vormittag Revue passieren. Beide sind sich einig darüber, dass der Workshop Spuren hinterlassen hat. Zum Abschluss erhielten sie einen großen Applaus von den Schülerinnen und Schülern der 9b. Gerne würden sie weiter Workshops an Werkrealschulen durchführen. „Ich würde es begrüßen, verstärkt dahin zu gehen, wo Redebedarf zu dem Thema Nachrichtenkompetenz besteht. Denn in einem Gymnasium darüber zu reden, ist relativ simpel.“, schlussfolgert Jens Wolters. Für Frank Wagner stellt sich die Frage nach der Schulart nicht. „Beim Thema Medien und Nachrichten findet man glücklicherweise bei allen Jugendlichen Anknüpfungspunkte. Schließlich haben alle ein Smartphone und sind auf Instagram unterwegs“, betont er. Seine langjährige Erfahrung als Kindermedienland-Referent hat ihm gezeigt, dass es überall schwierige Klassen geben kann. Die 9b der Ludwigsburger Justinus-Kerner-Schule gehört jedenfalls nicht dazu.
In Zusammenarbeit mit dem SWR bietet das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg unter dem Motto „Korrespondenten machen Schule“ Workshops rund um das Thema Informationskompetenz an. Gedacht sind die Workshops für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8. Wenn Sie Interesse an einer solchen Veranstaltung an Ihrer Schule haben, melden Sie sich gerne unter beratungsstelle@lmz-bw.de oder 0711 490 963 - 21.
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